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Darf es trotz Krise Ausschüttungen geben? | DiePresse.com

Darf es trotz Krise Ausschüttungen geben?

Wien. Dürfen Unternehmen, die von Staatshilfen Gebrauch machen, Dividenden oder Gewinne aus dem vergangenen Geschäftsjahr an ihre Eigentümer ausschütten? Diese Frage beschäftigt derzeit nicht nur börsennotierte Publikumsgesellschaften, sondern jede Kapitalgesellschaft.

Die Europäische Zentralbank und die österreichische Finanzmarktaufsicht haben vor wenigen Tagen den Banken bereits eine „dringende Empfehlung“ gegeben: Von der Ausschüttung von Dividenden für das abgelaufene Geschäftsjahr sei aufgrund der globalen Coronakrise Abstand zu nehmen, hieß es in einer Aussendung vom 27. März. Die SPÖ forderte gestern überhaupt ein Dividendenverbot für Unternehmen, die Staatshilfe beanspruchen. Darunter fällt auch die Kurzarbeit. Und auch der Betriebsrat der Telekom-Holding fordert das teilstaatliche Unternehmen auf, den Aktionären für das Geschäftsjahr 2019 und 2020 keine Dividenden auszuzahlen. Die Telekom und alle anderen AGs stehen nun vor der Frage:

Können Aktiengesellschaften unter diesen Umständen Dividenden ausschütten?

„Es steht rechtlich völlig außer Frage, dass eine Ausschüttung an die Aktionäre trotz Kurzarbeit zulässig ist“, sagt Rechtsanwalt Georg Schima. Er hält die zitierten Forderungen für plakativ, aber nicht überzeugend. „Bei den Dividenden handelt es sich schließlich um das Geschäftsjahr 2019, das für viele AGs ein sehr gutes war.“ Es sei nicht einzusehen, weshalb die Aktionäre rückwirkend keine Erträge aus einem guten Jahr 2019 haben sollten. „Zudem handelt es sich nicht bei jedem Aktionär um einen vermögenden Großanleger. Und das Jahr 2020 wird ohnehin bei sehr vielen Unternehmen Spuren im Ergebnis hinterlassen, die auch die Aktionäre zu spüren bekommen.“

Wie ist die Lage bei GmbHs?

Die weit über 100.000 Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHs) stehen hierzulande grundsätzlich vor demselben Problem. Viele von ihnen kämpfen bereits mit Liquiditätsproblemen. Vor den nun anstehenden Generalversammlungen, bei denen der Jahresabschluss festgestellt wird, sollten sich Gesellschafter und Geschäftsführer daher folgende Fragen unbedingt stellen:

Dürfen Gewinne ausgeschüttet werden, wenn sich die Vermögenslage der GmbH zwischen dem 31. Dezember 2019 und der Feststellung des Jahresabschlusses verschlechtert hat?

„Die kurze Antwort lautet: Nein!“, sagt Rechtsanwalt Alexander Sporn und verweist auf § 82 Abs. 5 GmbH-Gesetz. „Wenn sich das Vermögen der Gesellschaft in diesem Zeitraum aufgrund eingetretener Verluste oder Wertminderungen erheblich und voraussichtlich nicht bloß vorübergehend geschmälert hat, dürfen die Gesellschafter den Bilanzgewinn nicht bzw. nicht zur Gänze ausschütten.“ Gesellschafter, die einfach negieren, dass sich die Vermögenslage aufgrund der Coronakrise verschlechtert hat und dennoch für eine Ausschüttung votieren, handeln treuwidrig, betont der Experte.

Was haben die Gesellschafter nun zu tun?

Die Gesellschafter müssen sich vor der Generalversammlung ein genaues Bild davon machen, ob die Covid-19-Pandemie zu einer bloß vorübergehenden oder zu einer längerfristigen Schieflage der Gesellschaft führen könnte. „Ist von letzterem Fall auszugehen, ist es den Gesellschaftern zwingend verwehrt, den Bilanzgewinn auch nur teilweise auszuschütten“, sagt Sporn.

Ist es zu rechtfertigen, dass eine GmbH Gewinne ausschüttet, obwohl sie Kurzarbeit beantragt hat?

Rechtlich ist das zulässig. „Wenn eine GmbH jedoch Kurzarbeit beantragt, ist das ein Indiz dafür, dass die Gesellschaft wirtschaftlich auf staatliche Unterstützung angewiesen ist. Deshalb sollte sie den Bilanzgewinn zurückhalten“, meint Rechtsanwalt Stephan Frotz.

Was passiert, wenn die Gesellschafter trotz kapitaler Krise eine Gewinnausschüttung beschließen?

Eine Entscheidung, die wohlüberlegt sein sollte. „Denn ein Ausschüttungsbeschluss der Gesellschafter, der zur Insolvenz der GmbH führt, zieht Konsequenzen nach sich“, sagt Anwalt Martin Maxl. Ein derart „existenzvernichtender“ Gesellschafterbeschluss führt nach herrschender Lehre zu einer Haftung der Gesellschafter gegenüber den Gläubigern. „Normalerweise haftet ja nur die Gesellschaft für ihre Verbindlichkeiten, nicht die Gesellschafter. In so einem Extremfall jedoch ist das wohl anders. Die Gesellschafter können sehr wohl zur Verantwortung gezogen werden“, so Maxl. Das gelte vor allem dann, wenn der GmbH durch die Ausschüttung lebensnotwendige Liquidität entzogen werde. Allerdings hat der Oberste Gerichtshof in der Vergangenheit zu so einem „existenzvernichtenden Gesellschafterbeschluss“ noch nie Stellung genommen. Jedoch hat er in einer Entscheidung aus dem Jahr 2004 sich ausdrücklich mit der sogenannten Durchgriffshaftung auf die Gesellschafter einer insolvent gewordenen GmbH auseinandergesetzt – und in seiner Entscheidung, deren Haftung bejaht.

Haften auch die Geschäftsführer, wenn sie den Ausschüttungsbeschluss der Gesellschafter vollziehen?

Die Geschäftsführer haften ebenfalls, wenn sie den Beschluss der Gesellschafter vollziehen, wissend, dass damit die Gesellschaft zahlungsunfähig werden könnte, sind sich Maxl und Sporn einig. Allerdings hat der Geschäftsführer einer GmbH nicht die Freiheiten wie ein Vorstand einer Aktiengesellschaft, sondern hat den Weisungen der Generalversammlung Folge zu leisten. „Wenn er es also vermeiden will, zur Haftung herangezogen zu werden, sollte er den Ausschüttungsbeschluss nicht einfach vollziehen, sondern auf einer diesbezüglich schriftlichen Weisung der Gesellschafter bestehen. Denn eine solche Weisung befreit ihn von einer Haftung“, sagt Maxl. Bis dato gibt es zu dieser Fragestellung freilich kaum Judikatur. Es ist zu erwarten, dass sich das in naher Zukunft ändern wird.

(“Die Presse”, Print-Ausgabe, 01.04.2020)

(vgl. https://www.diepresse.com/5793671/darf-es-trotz-krise-ausschuttungen-geben)

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